Katharina Trüdot

Ein Beitrag von Schüler:innen der MSS11

Quelle: Oppenheimer Landskrone vom 11. August 1933

Katharina Trüdot war eine Nackenheimerin mit französischen Wurzeln, die am 23.10.1884 geboren wurde und in Nackenheim lebte. Sie arbeitete 25 Jahre lang bei der Firma Brühl und Schreiner und wurde dafür von der Industrie- und Handelskammer Mainz mit einer Ehrenurkunde ausgezeichnet. Diese Art der positiven Presse für Trüdot war nur zu Beginn der NS-Herrschaft möglich und wäre eventuell zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen.

Erster Antrag zur Ausstellung des Reispasses;
Quelle: LA Sp. Best U199, 20.

1933 wurde ihr Reisepass eingezogen, woraufhin ihre bei ihr wohnende Nichte 1934 ebenfalls einen Antrag zur Ausstellung eines Reisepasses stellte, der aber vom Bürgermeister Nackenheims abgelehnt wurde, weil die Gemeinde befürchtete, dass sie von ihrer Tante beeinflusst sei und diese in Frankreich gegen die NSDAP hetzen könne. Katharina Trüdot war die Führerin der katholischen Jungfrauen Nackenheims, die nach strengem Glauben lebten und sich für die Werte der katholischen Kirche einsetzen. Außerdem zeigte sie sich laut des Nackenheimer Bürgermeisters angeblich öffentlich gegenüber der NSDAP abwertend. Er schrieb, Katharina Trüdot zeige „sich sonst in jeglichen Beziehungen gehäßig [der] N.S.D.A.P. [gegenüber]“.

Erneute Verweigerung der Reisepassrückgabe; Quelle: LA Sp. Best U199, 20.

1939 stellte Katharina Trüdot einen erneuten Antrag für die Ausstellung ihres Reisepasses. Dieser wurde aber wiederum abgelehnt. Der Bürgermeister Nackenheims schrieb, dass es keine Bedenken wegen Steuerhinterziehung oder Steuerflucht gebe, sondern mehr ihre antinationalistische Einstellung der Grund dafür sei. Es würde befürchtet, dass sie im Ausland das „Dritte Reich“ schlecht reden würde, da sie eine Hauptfanatikerin ihrer Weltanschauung ist. Wortwörtlich war in einem Schreiben zu lesen: „Ich befürchte, dass von derselben im Auslande nichts Gutes über das dritte Reich verbreitet wird, weshalb […] der Reisepass versagt wird.

Obwohl Katharina Trüdot bereits 1934 von den Nationalsozialisten als „Märtyrer“ und „gehäßig gegen die N.S.D.A.P.“ beschrieben wurde, war sie offenbar kein Ziel größerer Repressionen, die über die Verweigerung eines Reisepasses hinausgingen und [das] erhärtet so den Befund der Koexistenz von Nationalsozialisten und deren Gegnern in Nackenheim.

zit. n. Bick, Henri: Die Gemeinde Nackenheim im „Dritten Reich“, unveröffentlichte Bachelorarbeit, eingereicht am Historischen Seminar der JGU Mainz, 2014, S. 33.

Katharina Trüdot war eine Bekannte der Familie Wolff. Bevor das Ehepaar Heinrich und Selma Wolff 1942 aus Mainz in das Ghetto Piaski deportiert wurden übergaben sie ihre Eheringe an Katharina Trüdot, die diese nach dem Krieg an die Kinder der Familie Wolff, Helmut und Herbert, die in die USA ausgewandert waren, wieder zurückgab.

Briefkontakt zwischen Katharina Trüdot, Helmut und Elfrieda Wolff nach 1945

Katharina Trüdot führte nach Ende des Zweiten Weltkrieges Briefkontakt mit Helmut Wolff und seiner Frau Elfrieda. In den Briefen berichtete sie auch über ihre Wahrnehmungen der Nachkriegszeit in Nackenheim.

Quelle: Privatnachlass Raymond Wolffs (gest. im April 2021). Wir danken Martina und Hans-Dieter Graf für die freundliche Erlaubnis, die Dokumente auf der Website abbilden zu dürfen.
Transkription des Briefes vom 29. März 1953

Lieber Helmut u. Frau Elfrieda!

             Als ich Euren lb. Brief vom 21. Febr. öffnete u. das schöne Bild von Euren beiden lb. Kindern sah, freute ich mich wirklich von Herzen. Nehmt meinen besten Dank. Ihr könnt recht stolz sein auf Eure Kinderchen, Raymond sitzt da, wie ein kleiner Herr u. die kleine Linda ist ein richtiger Sonnenschein, sie lacht jedem ins Herz, ich könnte das Bildchen immer betrachten. 

Vorige Woche erhielt ich auch das Päckchen mit der Strickweste, wofür ich Euch herzlichen Dank sage. Es ist sehr lieb von Euch, ich habe mich sehr darüber gefreut, Ihr hättet das aber nicht tun sollen, denn sooft schon habt Ihr mir in der Notzeit Liebes erwiesen, sodass

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mein kleiner Gegendienst längst überholt ist. Ich bedaure nur, dass ich nicht noch mehr tun konnte, weil Eure lb. Eltern alles angeben (?) mussten. Ich täte heute das Gleiche nochmals. Eure lb. Eltern meinten damals, wenn es auch 10 Jahre dauern würde, nun sind [es] 11 Jahre, bis ich mein Versprechen halten konnte.[1] Inzwischen wird Herr Frankenberg bald nach Hause reisen. Wollt Ihr mir eine Nachricht geben, wenn er bei Euch war? 

Dass Ihr mit Eurer Farm so schöne Fortschritte macht, ja das macht mir Spaß. Ich wünsche Euch noch mehr Glück dazu. Viel Neues ist nicht passiert hier. Die geplante Autoumgehungsstraße, von der ich schrieb, soll an dem Rhein entlang gelegt werden. Hatte ich schon geschrieben, dass Fritz Herzog u. bald danach Franz Binz gestorben sind? In dem Gemeindefeld an der Rückseite vom Schiff wird in die Kappesäckern ein großes 6-Familienhaus gebaut. Es gibt eine neue Straße. Nun weiß ich aber nichts mehr. Alles Gute u. nochmals herzl. Dank u. recht liebe Grüße, auch v.m. Schwester u. Käthe an Euch & Eure lb. Kinder, Eure K. Trudot 

[1] Versprechen halten konnte: vermutlich spielt K. Trudot hier auf den Wunsch von Selma und Heinrich Wolff an, den sie Anfang 1942 in Kastel bei K. Trudots Besuch geäußert hatten, K. Trudot solle ihre Eheringe aufbewahren und in einer besseren Zeit entweder ihnen wiedergeben oder den Söhnen zukommen lassen.  

Die vorliegende Transkription wurde von Martina & Hans-Dieter Graf angefertigt.

Quellen und Literatur:

  • LA Sp. Best. U199,20
  • Oppenheimer Landskrone
  • Bick, Henri: Die Gemeinde Nackenheim im „Dritten Reich“, unveröffentlichte Bachelorarbeit, eingereicht am Historischen Seminar der JGU Mainz, 2014
  • Wolff, Raymond; Graf, Martina, Graf, Hans-Dieter, Berkessel, Hans: Schreie auf Papier. Oppenheim 2021.

Wir danken Martina und Hans-Dieter Graf für die Zusendung der im Nachlass Raymond Wolffs erhaltenen Briefe von Katharina Trüdot an dessen Eltern Helmut und Elfrieda Wolff. Insgesamt sind zwei Briefe aus den Jahren 1951 und 1953 erhalten sowie eine Karte Margarete Jochems aus dem Jahr 1954, in der Helmut und Elfrieda Wolff vom unerwarteten Tod der „Tante Käthe“, vermutlich Katharina Trüdots, informiert werden.