Antisemitische Maßnahmen und ihre Konsequenzen im Überblick
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Bewaffneter Überfall
Am 06. April 1933 wird in einem Zeitungsmeldung der Oppenheimer Landskrone von einem nächtlichen, bewaffneten Überfall auf die Familie Wolff berichtet, der durch den Nachtwächter vereitelt werden konnte. Die Zeitungsmeldung endet mit dem Hinweis: "Von zuständiger Stelle wird nachdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei den Tätern nicht um SA- oder SS-Leute handeln kann. Die Nummer des Lastautos konnte nicht erkannt werden, weil man sie mit einem Tuch verdeckt hatte". (Quelle: Oppenheimer Landskrone, 06. April 1933).
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Juli 1933
KZ-Aufenthalt Heinrich Wolffs
Heinrich Wolff wird am 05. Juli 1933 im KZ Osthofen inhaftiert, die genaue Haftdauer ist unbekannt. Die Oppenheimer Landskrone berichtet am 06. Juli 1933: "Zwei Mann nach Osthofen! Die Zeit ist vorbei, in der jeder glaubte, sich seinen eigenen politischen Brei kochen zu können! Wer das heute noch zu können glaubt, irrt und es gibt Einrichtungen, wo er davon überzeugt wird, dass er im Unrecht ist. (...) Wegen ebenfalls politischer Verfehlungen wurde der Getreidehändler Heinrich Wolff ebenfalls gestern nach Osthofen überführt". In einem von Eveline Becker-Jung 1982 geführten Zeitzeugeninterview berichtet ein ehemaliger Mithäftling, der selbst vom 03. bis zum 19. Juli im KZ Osthofen inhaftiert war: "Ich weiß von einem jüdischen Getreidehändler aus Nackenheim, der eines Nachts von SA-Leuten geschlagen wurde und dem man sein gesamtes Geld wegnahm. Die Spuren der Misshandlung waren am nächsten Tag deutlich zu sehen". In einer weiteren Veröffentlichung ergänzen sich die Aussagen: "Ein Nackenheimer Jude wurde eines nachts fürchterlich geschlagen. In der Nacht vorher hatte er kein Geld mehr. Er sagte: "Was habe ich alles für die Nackenheimer Vereine getan, und so geht es mir jetzt, keiner macht einen Finger für mich krumm.""(Bild: Gedenkstätte KZ Osthofen; Quelle zur Inhaftierung Heinrich Wolffs: Oppenheimer Landskrone vom 06. Juli 1933; Veröffentlichung der Zeitzeugenaussage in: Hellriegel, Ludwig: Widerstehen und Verfolgung - Dokumentation, Band I,1, Rheinhessen, S. 113/114).
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06.01.1936
Keine Legitimationskarte
Heinrich Wolff wird die Ausstellung einer Legitimiationskarte versagt. Der Bürgermeister von Nackenheim gibt gegenüber dem Kreisamt Oppenheim antisemitische Gründe an und nutzt Beschimpfungen. (Quelle: LA Sp. Best. U199, 19).
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08.01.1937
Reisepassausstellung Helmut Wolff
Der Bürgermeister Nackenheims empfiehlt die Reisepassausstellung für Helmut Wolff mit der Begründung, dass die Gemeinde denselben "recht bald los ist". (Quelle: LA Sp. Best. U199, 20).
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April 1937
Flucht Helmut Wolffs
Helmut Wolff flüchtet in die USA. Das Bild zeigt die SS Washington, an deren Bord Helmut Wolff 1937 New York erreichte. (Quellen: Wolff, Raymond; Graf, Martina; Graf, Hans-Dieter; Berkessel, Hans: Schreie auf Papier. Oppenheim, 2021; Bild: Maritime Digital Archive Encyclopedia; Public Domain via Wikipedia "SS Washington").
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Juni 1937
Umzug Mainz
Die Familie Wolff zieht noch gemeinsam mit ihrem Sohn Herbert nach Mainz in die Kaiserstraße um. Aus den Quellen geht hervor, dass sie große Teile ihrer Einrichtung zuvor an Nackenheimer:innen verkauft haben.
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07.09.1937
Strafandrohungen (Nackenheim)
Paul Lenz wird unter Androhung von Konsequenzen verboten, Felder der Familie Wolff zu pachten. Auch der Wiegemeister Kerz wird wenig später auf Grund des Weinhandels mit Heinrich Wolff aus seinem Amt enthoben. (Quelle: LA Sp. Best. U199, 38).
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22.12.1937
Gewerbeabmeldung Heinrich Wolffs
Heinrich Wolff muss am 14. Juni 1937 sein Gewerbe in Nackenheim abmelden. (Quelle: LA Sp. Best. U199, 19).
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20.06.1938
Flucht Herbert Wolffs
Herbert Wolff gelingt die Flucht in die USA. Das Bild zeigt die RMS Aquitania, mit der Herbert Wolff von Southampton nach New-York übersetzte. (Quelle: Wolff, Raymond; Graf, Martina; Graf, Hans-Dieter; Berkessel, Hans: Schreie auf Papier. Oppenheim, 2021; Bild: Wikipedia "RMS Aquitania, Cunard Line", gemeinfrei).
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25.04.1939
Kennkartenausstellung
"Durch Verordnung vom 22. Juli 1938 wurde im Deutschen Reich die Kennkarte als allgemeiner polizeilicher Inlandausweis eingeführt. Es wurde jedoch zunächst offen gelassen, wer eine solche Kennkarte zu bekommen hatte. Bereits einen Tag später, am 23. Juli 1938, bestimmte der Innenminister dann, welche Gruppen der Bevölkerung dem Kennkartenzwang unterlagen. Neben den wehrpflichtigen jungen Männern galt dieser Zwang vor allem für Jüdinnen und Juden, die deutsche Staatsangehörige waren." (zit. n. Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland; Bildquelle: www.zentralarchiv-juden.de; Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV: Kennkarten). Die für Heinrich und Selma Wolff erstellten Kennkarten sind auf den 25. April 1939 datiert, in den Namen mussten bereits die Zusätze "Israel" und "Sara" vermerkt werden.
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04.07.1941
Grundstücksverkauf Rosa Wolff
Das Amtsgericht Oppenheim bestätigt einen Kaufvertrag zwischen der Gemeinde Nackenheim und dem Ehepaar Wolff über Grundstücke der 1912 verstorbenen Rosa Wolff, geb. Weil. Rosa Wolff war die erste Ehefrau Heinrich Wolffs. Trotz ihres Todes im Jahr 1912 wird sie in den Kaufunterlagen als "Rosa Sara Wolff" geführt. Die 805qm großen Grundstücke werden in Vertretung eines Rechtspflegers zum Preis von 258 Reichsmark unter Wert verkauft. Hinzu kommt eine seitens der Wolffs zu leistende Abgabe an das Deutsche Reich in Höhe von 50 Reichsmark. "Sonderabgaben" bei Grundstücksverkäufen mussten ausschließlich jüdische Verkäufer:innen entrichten. (Quelle: LA Sp. Best. U199, 38).
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Oktober 1941
Umzug Rheinallee
Das Ehepaar Wolff muss in die Rheinallee in eine kleinere Wohnung umziehen. (Quelle: Wolff, Raymond; Graf, Martina; Graf, Hans-Dieter; Berkessel, Hans: Schreie auf Papier. Oppenheim, 2021).
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Anfang 1942
Umzug Mainz-Kastel
Das Ehepaar Wolff muss nach Mainz-Kastel in die Eleonorenstraße umziehen und sich die dortige Wohnung mit anderen Familien teilen. (Quelle: Wolff, Raymond; Graf, Martina; Graf, Hans-Dieter; Berkessel, Hans: Schreie auf Papier. Oppenheim, 2021).
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20. März 1942
Deportation
Das Ehepaar Wolff wird gemeinsam mit Heinrich Wolffs Schwester Betty Sender und deren Mann Gustav Sender aus Mainz über Darmstadt in das Ghetto nach Piaski deportiert. Der Briefverkehr zu den Söhnen in den USA bricht ab. Die Tochter des Ehepaars Sender, Emma, überlebt in Brasilien. Heinrich und Selma Wolff, Gustav und Betty Sender werden ermordet, wo und wann genau ist nicht bekannt. (Quelle: Wolff, Raymond; Graf, Martina; Graf, Hans-Dieter; Berkessel, Hans: Schreie auf Papier. Oppenheim, 2021). In der Eleonorenstraße 16 wurden für das Ehepaar Wolff im Jahr 2010 Stolpersteine verlegt. (Bild: Wikipedia, Martin Steinmetz, Kulturamt Stadt Mainz)