Wein

Ein Beitrag von Schüler:innen der MSS11

Inwiefern war Wein ein Propagandamittel in der NS-Zeit?

Aus Anlass der nationalen Erhebung hat der Küfermeister […] aus Nackenheim, ein Halbstück-Fass anfertigt, bei dem der Boden der Mainzer Bildhauer Fritz Knobloch prachtvoll geschnitzt hat. Die Hauptansicht des Fasses beherrscht ein SA-Mann, der frisch und kraftvoll dahin schreitet, das neue Deutschland befördernd. Im Hintergrund tritt das Symbol des Tages der nationalen Erhebung, fein gegliedert die Potsdamer Garnisonkirche hervor. Das Ganze wird durch ein Spruchband umrahmt, das den Schenkendorfschen Ausspruch trägt: „Nimmer wird das Reich zerstört, wenn ihr einig seid und treu“.

zit. n. „Oppenheimer Landskrone“, 2. Juni 1933; Zeitungsartikel über die Auszeichnung eines Nackenheimer Küfermeisters, der ein Fass anfertigen ließ, auf dem ein SA-Mann abgebildet war, beschmückt mit einem Spruch.

Aus dem Auszug dieses Zeitungsartikels aus dem Jahr 1933 ist ersichtlich, wie Wein als Propagandamittel zur Verbreitung des Nationalsozialismus genutzt wurde. Es wird die „prachtvolle“ Schnitzung eines SA-Mannes in ein Weinfass hervorgehoben, was dem Ganzen eine verherrlichende Stimmung gibt. An weiteren Textstellen wie „das neue Deutschland befördernd“ sind klare Absichten der Propaganda für den Nationalsozialismus über die künstlerische Gestaltung des Wein-Fasses erkennbar. Wie die Historikerin Pia Nordblom in ihrer Aufsatz über den „Weinbau in Rheinhessen“ schrieb (vgl. S.54f.), wurde die Rolle der Bauern  im Nationalsozialismus aufgewertet. Nach der  NS-Ideologie wurde den Bauern die Idealvorstellung eines mittelbäuerlichen Familienbetriebes zugeschrieben. In politischer Weise sollten sie nach der „Gleichschaltung“ im Reichsnährstand eine Produktionssteigerung hervorbringen, damit umso mehr Gelder in die Rüstungspolitik investiert werden konnten und um das eigene Volk bei Notständen ernähren zu können. 

Quelle: „Oppenheimer Landskrone“ vom 12. Juni 1933

Weinpropaganda als Mittel der gesellschaftlichen Ausgrenzung

Weinlese am Fuße des Rothenberges, Aufnahme vermutlich aus den 1920er Jahren.

Quelle: Nackenheimer heimatkundliche Schriftenreihe, Heft 17, Carl Zuckmayer und Nackenheim, hrsg. v. Ursula Bopp und Frieder Stauder. 1998, S. 20.

Wenn man sich die Geschichte der Weinpropaganda in Nackenheim anschaut, stößt man sofort auf die berühmten Weinfeste in unserer Region und in Nackenheim. So wie heute, wurden Weinfeste gut besucht und waren ein großer Teil der Lebenswelt der Menschen vor Ort. Im Nationalsozialismus wurden Weinfeste besonders gefördert und propagandistisch instrumentalisiert, so auch in Nackenheim. Die NSDAP sah den Wein und die Landschaft als Propagandamittel zur Durchsetzung ideologischer, politischer und wirtschaftlicher Interessen. Um den Tourismus und die wirtschaftliche Lage der (heutigen) Rheinhessenregion zu verbessern, wurde 1935 beschlossen, die Winzerfeste mit finanziellen und politischen Mitteln zu unterstützen. Die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“, nahm Einfluss auf den Nackenheimer Bürgermeister und andere lokale Institutionen, um Werbung für die Region und Propaganda für ihre Weltanschauung zu machen. Zum Beispiel wurden Flyer gedruckt, für die die Gemeinden aufkommen musste und Säulen gemietet, um Propaganda für die Winzerfeste zu verbreiten. Ab 1933 haben die Nazis gezielt diese Form von Werbung genutzt, um „Rheinwein“ und die einzelnen Rheindörfer stärker zu unterstützen, mit dem Vorwand, (angeblich) die wirtschaftliche Lage vor Ort zu verbessern. Der Weinbau stellte die Grundlage der gesamten Wirtschaft dar und (angeblich) auch die Voraussetzung für eine Lösung der Arbeitslosenfrage, wie es immer wieder in verschiedenen Quellen heißt. Die Darstellung des Antisemitismus war ein weiteres Belangen der NSDAP. Bei einem Nackenheimer Winzerfest gab es einen Umzug mit einem Wagen, auf dem „Auszug der letzten Weinjuden aus Rheinhessen“ stand, der laut einem am 12. September 1938 in der „Oppenheimer Landskrone“ erschienenen Zeitungsartikel „viel belacht wurde“. Durch solche Aktionen sollte der Hass gegen Juden selbstverständlich erscheinen und verharmlost werden.

Weinanzeige zu Nackenheimer Weinen in jüdischen Zeitschriften. Quelle: Gemeinde-Zeitung für die israelitische Gemeinden Württembergs, 17 (1933/34), online einsehbar über die Judaica-Sammlung der UB Frankfurt.

Auch in Nackenheim gab es einen jüdischen Getreide- und Weinhändler, Heinrich Wolff, der 1937 mit seiner Frau Selma und seinem Sohn Herbert nach Mainz umzog und auf Grund antisemitischer Anfeindungen und Gesetze der NS-Regierung sein Geschäft aufgeben musste. Im Frühjahr 1942 wurde das Ehepaar Wolff aus Mainz deportiert und später ermordet.

Propaganda für das (heutige) Rheinhessen, (vermeintlich) wirtschaftlicher Aufschwung und Antisemitismus waren also eng miteinander verknüpft. 

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Zeitungsartikel der Oppenheimer Landskrone vom 10. September 1938

Werbeanzeige aus der Oppenheimer Landskrone vom 10./11. September 1938

Zeitungsartikel der Oppenheimer Landskrone vom 12. September 1938

1938: Das Nackenheimer Winzerfest

1938 spitze sich die Lage immer weiter zu, da der Zweite Weltkrieg bevorstand. So kam es dazu, dass die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ gezielt versuchte, die nationalsozialistische Ideologie in der Bevölkerung zu stärken. In Nackenheim kam es dazu, dass die NS-Gemeinschaft und die Gemeinde Nackenheim vereinbarten, gemeinsam das Winzerfest zu veranstalten. Hinzu wurde ein Verbot ausgesprochen, dass außer im Weinzelt keine Tanzmusik abgespielt werden durfte, damit die ganze Ortschaft zusammenkommen musste und keine Alternativangebote blieben. 

Quelle: LA Sp. Best. U199,99

Unter Anderem wurde von der Weinbaugemeinde Nackenheim erwartet, am „3.Rhein-Mainischen Winzertag“ teilzunehmen. Dazu sollten Vorschläge an, „die, von der Gaupropagandaleitung und dem Gauamt beauftragte Landesbauernschaft Hessen-Nassau„, getätigt werden. Der Erfolg sollte darin liegen, dass viele Pressevertreter aus dem ganzen Reich anwesend waren und somit eine große Werbewirkung erzielt werden sollte. Dies geht aus einem im Landesarchiv Speyer gefundenen Briefverkehr hervor (LA Sp. U199,99).

Foto des Winzerumzuges 1938 in Nackenheim
Quelle: Baum, Werner: Nackenheim im Krieg von 1939 bis 1945 sowie während der Nachkriegszeit. Nackenheim 1998, S. 33.

Weitere Informationen zum Thema „Fastnacht und Feste im Nationalsozialismus“ finden sich auch unter folgendem Link.

Weiterführende Literatur:

  • Krieger, Christof: Wein ist Volksgetränk. Weinpropaganda im Dritten Reich. Zell (Mosel) 2018.
  • Nordblom, Pia: „Die Brücke von flüssigem Gold“. Weinbau in Rheinhessen in der Zeit des Nationalsozialismus, in: Wagner, Andreas (Hrsg.): Weinbau in Rheinhessen. Beiträge des Kulturseminars der Weinbruderschaft Rheinhessen zu St. Katharinen am 14. November 2015. Wiesbaden 2016, S. 44-68.

Wir danken dem Historiker Simeon Guthier (IGL Mainz) und dem Ortsmuseum Nackenheim für die Unterstützung bei der Recherche zu diesem Beitrag.